Urbane Energiewende: dena auf Studientour mit Delegation aus chinesischen „Eco-Cities“

Entscheidungsträger aus chinesischen Pilotstädten vertiefen ihr Fachwissen beim Besuch von Städten und Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz. Die Reise ist ein fester Bestandteil im dena-Projekt Eco-Cities. Dabei sind Digitalisierung und integrierte Energiewende die Topthemen.

Die Studienreisen

sind seit 2015 fester Bestandteil des dena-Projekts „Eco-Cities“. In diesem Jahr sind die Stadtverwaltungen der Städte Nanjing, Jining und Tianjin vertreten, sowie die Chinese Society of Urban Studies (CSUS) und die China Eco-City Academy (CECA).

Montag 15. Oktober, kurz vor 12 Uhr am Flughafen Zürich. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen „Eco-City-Studienreise“ sind gelandet. Sie vertreten drei der chinesischen Städte, die im dena-Projekt „Eco-Cities“ nachhaltiger gestaltet werden. Die durch die Zeitverschiebung gewonnen Stunden lassen sich gut nutzen: Auf die Delegation wartet eine Woche voller Gespräche zu allen Bereichen der nachhaltigen Stadtentwicklung – wie Bauen, Mobilität, Energiesysteme, Wasser- und Ressourcennutzung.

Bei der Zehnder Group in Zürich informiert sich die chinesiche Delegation über Planung und Bau von Passivhäusern. Foto: Ang Ye

Die Route führt von Zürich nach Berlin, mit Zwischenstopps in 13 Städten. Die Delegation besucht Unternehmen, Forschungszentren und Planungsbüros und ist in historisch gewachsenen Innenstädten wie auch in neu entstehenden Quartieren unterwegs. Sie trifft Politikerinnen und Politiker, Städteplanerinnen und Städteplaner, Baufachleute sowie Energie- und Klimaschutzmanager zu Gesprächen rund um nachhaltige Stadtentwicklung und Effizienztechnologien. Ziel ist es, Erfahrungen auszutauschen und deutsches Know-how auf chinesische Städte zu übertragen.

Tag 1: Energieeffizientes Bauen

Das Programm startet mit einem Besuch bei der Zehnder Group in Zürich, hier sind energieeffiziente Gebäude das Thema. Wie in Deutschland machen in China die Gebäude ein Drittel des Energieverbrauchs des Landes aus. Das Unternehmen mit Sitz in der Nähe von Zürich produziert Heizkörper und Lüftungsanlagen und hat die Technik für das erste Geschäftsgebäude mit Passivhausstandard in China geliefert und montiert.

Drei Fragen an En Guo

Teilnehmer der Delegation vom Jinghai District Planning Bureau, Tianjin City

 

Frage 1: Welche Stadt vertreten Sie und wie soll ihre Stadt in 20 Jahren aussehen?

Ich komme aus Jinghai Distrikt, Tianjin. In den nächsten 20 Jahren wird Jinghai eine neue Demonstrationszone Tianjins und eine wichtige Knotenstadt des Jinxiong-Korridors sein. Schwerpunkte werden dabei die Transformation hin zur energieeffizienten High-Tech-Industrie, die Verbesserung der Umwelt sowie ein Ausbau der Infrastruktur sein.

Frage 2: Was ist für Sie das Highlight des Reiseprogramms, worauf freuen Sie sich besonders?

Ich freue mich sehr auf die fortgeschrittenen Erfahrungen Deutschlands und der Schweiz in der wirtschaftlichen Entwicklung, der industriellen Modernisierung, dem Städtebau, dem ökologischen Schutz und der Sicherung des Lebensunterhalts der Menschen.

Frage 3: Was ist momentan in Ihrer Stadt die größte Herausforderung?

Umweltschutz und wirtschaftliche Umstrukturierung und Modernisierung, die Umwandlung traditioneller Industrien in aufstrebende Industrien und der Aufstieg von Produkten von geringer Wertschöpfung zu hoher Wertschöpfung.

Tag 2: Stadtentwicklung und energetisches Quartierskonzept

Chinas Städte wachsen rasant

Die chinesische Regierung geht davon aus, dass bis 2020 bereits 60 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnen, rund 800 Millionen Menschen. Das Interesse der Regierung ist dementsprechend groß, die Urbanisierung in nachhaltige Bahnen zu lenken: kompakt, intelligent, grün, emissionsarm. Entsprechendes Know-how ist sehr gefragt.

Die dena führt seit 2014 das Projekt „Eco-Cities in China“ gemeinsam mit der CSUS, dem Thinktank des chinesischen Bauministeriums (MoHURD) durch. Neben der Reduzierung der CO2-Emissionen sollen bei den Eco-Cities-Kooperationen auch Erfahrungen und Strukturen für nachhaltiges Stadtmanagement aufgebaut und Märkte für energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen weiterentwickelt werden. Projektpartner ist Wilo.

Die Gruppe erreicht Tübingen und wird zunächst bei der ebök Planung und Entwicklung GmbH empfangen. Das Planungsbüro berät Kommunen, wie Klimaschutz bei der Entwicklung urbaner Infrastrukturen mitgedacht und eingebunden werden kann. Besprochen werden energetische Quartierskonzepte und der Einsatz des Energienutzungsplans (ENP). Das Planungsinstrument nutzt Geodaten, um vorhandene und potenzielle Standorte für Energieanlagen in Kommunen zu ermitteln. Nachhaltige Stadtentwicklung erlebt die Delegation bei der anschließenden Führung durch das Gebiet des ehemalignen Güterbahnhofs der Stadt. Hier entsteht zurzeit ein neues Wohnquartier, das sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet wird. Das Thema Energieversorgung im Quartier vertieft die anschließende Besichtigung eines Blockheizkraftwerks der Stadtwerke Tübingen mit dem Themenschwerpunkt Fernwärmeversorgung und Sektorenkopplung.

Tag 3 bis 7: Bauhaus, Batterien und das Berliner Stadtmodell

Nach Zwischenstopps in Metzingen, Reutlingen und einem Rundgang durch die historische Innenstadt von Rothenburg ob der Tauber geht es auf den Energie Campus Nürnberg. Hier arbeiten mehrere Forschungseinrichtungen verschiedener Disziplinen gemeinsam an neuen Lösungen zur Energieversorgung und an Technologien für ein ganzheitliches Energiesystem. Die Delegation reist weiter über Bamberg, besichtigt die BauhausStadt Weimar und erreicht dann Jena. Hier ist die Gruppe im Technologie- und Innovationspark Jena zu Gast, in dem rund 250 technologieorientierte Unternehmen ansässig sind. Hier kommt die Gruppe mit Forscherinnen und Forschern ins Gespräch, die an der Entwicklung tragfähiger Modelle für Mieterstrom und Elektromobilitäts-Carsharing mitarbeiten. Um die Arbeit an einer neuen Generation von Batterien und Stromspeichern geht es beim Besuch der JenaBatteries GmbH und im Center für Energy and Environmental Chemistry (CEEC). Über Leipzig wird die Gruppe dann am Ende der Woche Berlin erreichen. Hier ist ein Highlight der Besuch des rund 70 Quadratmeter großen 3D-Stadtmodells, das die Hauptstadt detailgetreu widergibt. Am Sonntag geht es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zurück nach Peking, hoffentlich mit vielen wertvollen Eindrücken und Erfahrungen.

Drei Fragen an Li Liu

Chinese Society of Urban Studies (CSUS)

 

Frage 1: Wie werden Chinas Städte in 20 Jahren aussehen?

China fördert jetzt die ökologische Zivilisation und die nachhaltige Entwicklung der Stadt. Der Schwerpunkt der Stadtentwicklung hat sich von der Entwicklung industrialisierter Städte hin zur Entwicklung ökologisch zivilisierter Städte verschoben. Die zukünftigen chinesischen Städte werden sich nach und nach in eine nachhaltige Stadt verwandeln, die einen grünen Entwicklungsmodus und -lebensstil ermöglicht und die zukünftige Stadt wird eine schönere Umwelt, mehr Wohnfläche, mehr Energieeinsparung und weniger CO2-Emissionen haben.

Frage 2: Was können chinesische Städte von deutschen lernen und andersherum?

Wir freuen uns zu erfahren, dass Deutschland großen Wert auf das Gleichgewicht zwischen ökologischer Umwelt und wirtschaftlicher Entwicklung legt. Nachhaltigkeit ist das Leitbild für die Gestaltung von Stadtpolitik und wir sollten großen Wert auf einen bewussten Umgang mit Ressourcen und auf den Umweltschutz legen.

Frage 3: Was ist momentan in Ihrer Stadt die größte Herausforderung?

Peking, eine Megastadt, ist schnell gewachsen und nun mit zahlreichen Problemen wie hohem Energieverbrauch, ernsthafter Luftverschmutzung und Verkehrsstaus konfrontiert. Wie man die Umwelt durch eine ökologische und nachhaltige Entwicklung mit geringem CO2-Ausstoß verbessern kann, ist die größte Herausforderung.

Drei Fragen an Ang Ye

dena-Teamleiterin „Eco-Cities“

 

 

Frage 1: Jedes Jahr sind neue Städte in der Delegation der Eco-Cities-Studienreise dabei. Wie kommt das?

Unser Teilnehmerkreis wächst jedes Jahr. Chinesische Städte werden als  „Sino-German Eco-City“ zertifiziert, wenn sie entsprechend dem dena-„Energie- und Klimaschutzmanagementsystem (EKM)“ die Organisationsstrukuren in den Stadtverwaltungen geschaffen haben und eine Eco-Planung verfasst haben. Dann geht es an die Umsetzung von Effzienzmaßnahmen. Zu diesem Zeitpunkt ist es für die „neuen” Städte besonders spannend nach Deutschland zu kommen, Projekte vor Ort zu erleben und die Möglichkeit eines direkten Austausch zu haben. Es geht um erprobtes Knowhow, um Kontakte und Netzwerke, um Inspiration und Motivation.

Frage 2: Auf welche Station der diesjährigen Reise sind Sie persönlich besonders gespannt?

Ich denke, wir haben ein tolles Gesamtpaket und jeder Termin verspricht spannende Einblicke. Eine Station, die mich persönlich sehr interessiert, ist der Besuch bei ebök in Tübingen. Dort werden uns die Planer über den Einsatz des Energienutzungsplan (ENP) berichten. Mithilfe eines Geoinformationssystems (GIS) werden vorhandene und potenzielle Standorte für Energieanlagen in Kommunen ermittelt – analog zu einem Flächennutzungsplan. So kann die lokale Energiewende mit Hilfe der Digitalisierung in integrierter Art und Weise vorangebracht werden.

Frage 3: Was können, aus Ihrer Erfahrung, chinesische Städte und deutsche Städte voneinander lernen?

Chinesische Entscheider können nachhaltige Stadtentwicklung noch systematischer angehen. Damit meine ich auch, nachhaltige und energieeffiziente Stadtentwicklung als ganzheitliche und nicht allein technologische Entwicklung zu sehen und der Gesellschaft dabei mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Dafür gehen die Dinge in chinesischen Städten viel zügiger voran und es ist mehr Mut zur Veränderungen vorhanden, da können sich deutsche Kommunen etwas von abschauen.